Tagebuch-Notiz vom Samstag, 6. November 1999
Mein nächster Spaziergang war geradezu »normal«, nach den bisherigen Märschen eine wahre Erholung: Ich ging einfach in die Innenstadt, mein Magen machte mir nämlich gründlich klar, dass ich starken Hunger hatte und die ganze Wanderung über nichts zu mir genommen hatte – außer der Cola zwischendurch und viel Wasser aus meiner Trinkflasche.
Allerdings verging mir fast der Appetit, als ich an dem kleinen Markt vorbeikam, der sich vor dem Bahnhof erstreckte. Zwischen den zahlreichen Verkäufern, die Heilkräuter und irgendwelchen Sud in schmutzigen Flaschen anboten, hatten sich einige weitere Verkäufer breitgemacht. Sie hatten Affenkörper ausgelegt, die vor sich hinstanken und von Fliegen umschwirrt waren. Die kleinen schwarzen Körper wirkten auf den ersten Blick wie die toten Körper von Kleinkindern. Mich schüttelte es, und ich ging weiter.
Auch die halbnackte Frau lag noch neben ihrem kleinen Feuer. Wieder erinnerte sie mich an einen gestrandeten Wal: schwabbeliges Fleisch, das sich in für Afrika unglaublichen Bergen wölbte. Mit verwirrtem Blick schaute sie mich an, als ich vorbeiging, während sie sich mit der einen Hand schmierigen Reis in den Mund stopfte.
Unweit des Place John Kennedy futterte ich leckere Brochettes, die ich zwei Jungen abkaufte. Langsam bummelte ich weiter, kam vorbei an einer der Banken unweit des Restaurants »La Challenge«. An der Stelle, wo tagsüber irgendwelche Burschen die Taxis wuschen, saßen jetzt ganz viele Frauen auf dem Gehsteig. Jede von ihnen hatte einen Korb mit Erdnüssen vor sich, sie unterhielten sich laut und lachen.
Als ich an ihnen vorbeiging, eifrig mein Essen kauend, rief mich eine Frau an, die am Boden saß. »Pistache!« rief sie, und wies auf ihre Erdnüsse im Korb. »Monsieur, Pistache!« Die Körbe waren noch nahezu voll, sie hatte wohl nicht viel verkauft an diesem Tag. Und dann fielen alle Frauen ein, die an dieser Stelle saßen, und schrien und kreischten und zeterten. Das »Pistache, Monsieur, Pistache!« gellte mir noch in den Ohren, als ich bereits hundert Meter weiter war und die Frauen nicht mehr sehen konnte.
Später setzte ich mich vor eine Bar in der Avenue Ahidjo, wo ich mich zu einigen Männern setzte. Anfangs saß ich still und schweigsam daneben, trank das erstaunlich gut schmeckende »Baobab«-Bier, schaute dem Verkehr auf der Straße zu, wo es langsam dunkel wurde. Immer mehr Fußgänger waren unterwegs, die Autos mußten sich durch die Menge zeitweise fast im Schrittempo quälen.
Überall wurden eilig die Marktstände abgebaut, an ihrer Stelle machten sich zahlreiche kleine Stände breit, an denen es Brochettes und andere Leckereien gab. In der Stadt erwachte das Nachtgeschäft, durch die Straßen zog der Geruch von gebratenem Fleisch und glimmender Holzkohle, der sich mit dem Benzingestank der vorbeifahrenden Autos vermischte.
Irgendwann verwickelten mich die Männer am Tisch in ein Gespräch, dem ich trotz meiner schlechten Französischkenntnisse leicht folgen konnte: Es ging um Bier. Die Männer, die so aussahen, als ob sie sich nach einem harten Arbeitstag noch den einen oder anderen Drink gönnen wollten, bevor sie zu ihren Familien gingen, waren der Meinung, dass aus Deutschland das beste Bier komme. Ich pflichtete in solchen Fällen gerne bei.
Sie erklärten mir, daß es sich auch bei dem »Baobab«-Bier um ein deutsches Lizenzprodukt handle. Ich sollte nicht das »33« trinken, weil das von den Franzosen lizensiert worden sein, sondern mich lieber an die Produkte der »Isenbeck«-Brauerei halten; die würden nämlich gutes deutsches Bier herstellen.
Das Gespräch war nicht so ernst gemeint, wir lachten viel und stießen immer wieder an. Gelegentlich kamen Bettler an den Tisch, sie wurden von den Männern ignoriert, und ich entschloss mich, ihrem Beispiel zu folgen. Auch Schuh- und Hemdenverkäufer tauchten auf, gingen an uns vorbei, blieben vor dem Tisch stehen, zeigten ihre Kollektion. Einer der Männer interessierte sich für Kleidung für Kleinkinder, schaute sich eine solche Kollektion sehr genau an, ließ es dann aber lieber sein.
Irgendwann standen die Männer auf. »Wir müssen zu unseren Frauen«, sagte einer von ihnen lachend. Wir gaben uns die Hände, sie verschwanden; ich sah ihre weißen Hemden noch eine Weile in der Dunkelheit schimmern, dann waren sie zwischen den anderen Menschen nicht mehr auszumachen. Ich trank mein Bier aus und ging durch das nächtliche Yaoundé zurück zum Hotel.
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