Erstaunliche Argumente lese ich in diesen Tagen gelegentlich: Der Staat habe für alles Geld. Er könne die Banken retten, er könne haufenweise Flüchtlinge aufnehmen – der Begriff der »Scheinasylanten« fällt neuerdings wieder –, und er habe einfach für alles Geld. Nur nicht für die »armen Deutschen«, nicht für »unsere Leute«, denen es schlecht gehe, die Hunger leiden müssten oder die von Arbeitslosigkeit bedroht seien.
Eine interessante Argumentation: Denkt man sie zu Ende, heißt es doch schlicht, dass die Flüchtlinge schuld daran sind, dass die Hartz-IV-Sätze so niedrig sind oder es im reichen Bundesdeutschland viele arme Leute gibt, die sogar auf der Straße wohnen müssen. Der aktuelle Zustrom von Flüchtlingen, der Staat und Gesellschaft in der Tat beansprucht, sei also an allem schuld.
Merken die Leute, die mit dieser »Ja aber«-Argumentation vorgeblich »links« reden, eigentlich nicht, dass sie auf die alte Logik hereinfallen? Dass sie im Prinzip eine andere Art von Rassismus-Agenda betreiben?
Ernsthaft: Hatten die Hartz-IV-Empfänger eigentlich mehr Geld, bevor die Flüchtlingswelle rollte? Waren die Obdachlosenzahlen vor einem Jahr deutlich niedriger?
Selbstverständlich nicht. Wieder einmal werden die Armen als Argument benutzt, um gegen die noch Ärmeren aufzuhetzen. Als ob die Zahl der Obdachlosen in diesem Land etwas mit der aktuellen Welle der Zuwanderung zu tun hätte. Als ob eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern, die von ihrem Ex-Lover keine Unterstützung bekommt, vorher im Geld geschwommen wäre.
Wer vorher arm war, bleibt arm. Daran ändert die Zuwanderung erst einmal nichts. Aber es ist ein »wunderbares« Kalkül, Armut gegen Armut auszuspielen. Und ich finde es erschütternd, wie viele Leute darauf hereinfallen, die ich zumindest vom Namen her auch kenne ...
Das ist wie mit den "Weisheiten" von der rechten Seite, dass uns die Ausländer die Jobs wegnehmen - die die Deutschen, die solche "Weisheiten" führen, niemals selbst übernehmen würden.
AntwortenLöschenMy.
(der es wahnsinnig toll findet, dass das Land der Dichter und Denker dialektisch immer noch so auf der Höhe ist ...)
Yum tuv, Klaus.
AntwortenLöschenEinfache "Argumentationen" verlangen von den grauen Zellen nicht allzu viel Komplexität in der Denkstruktur. "Da ist der Feind!" genügt, um die Reflexe träger Dumpfbürgerlichkeit anzutippen - der Rest ist dann Volklore.
Wie gesagt, denken ist ein aktiver Prozess; selber denken, gar die Herausvorderung.
"Dummheit war noch die die adäquate Entschuldigung für Inhumanität."
(Myrelle Minotier)
bonté