Auf dem Höhepunkt des Abends war der Boden der »Alten Hackerei« von einem See aus Bier bedeckt; von der Decke tropften Bier und Kondenswasser, die Wände, die Körper, die Klamotten – alles war durchnässt von Bier und Schweiß. In meinem Gesicht strahlte ein völlig überdrehtes Grinsen, und ich kam mir vor, als sei ich zwei Dutzend Jahre jünger.
Es war der Samstag, 4. Mai 2013, und die »Alte Hackerei« feierte ihren sechsten Geburtstag. Wie viele Leute gekommen war, erfuhr ich; es waren sicher über 200 Personen, und viele von denen hatte ich seit Jahren nicht mehr gesehen. Im Prinzip war die Hardcore-Szene der Stadt Karlsruhe aus den 90er-Jahren versammelt, mit dem einen Unterschied, dass die schlacksigen Herren von damals heute offensichtlich alle einen Vollbart sowie einen Wohlstandsbauch spazieren tragen ...
Sei's drum. Als erste Band des Abends spielte Über You aus Zürich: zwei Gitarren, ein Bass, ein Schlagzeug und ein Sänger, der mit einer großen Klappe aufwartete. Musikalisch war das sehr gut gemachter Punkrock der modernen kalifornischen Schule, von der Sorte, wie er seit den Nuller-Jahren aus Metropolen wie Los Angeles kommt, mit rauhem Gesang, wuchtigen Gitarren, Hardcore-Einflüssen und ordentlichen Melodien. Mir gefiel das, dem Publikum ebenfalls, aber außer Arschwackeln war nicht viel drin.
Kein Wunder, unsereins musste sich ja »warm trinken«. Hauptband des Abends waren nämlich Hooka-Hey, die in den 90er-Jahren ein aus Karlsruhe stammendes, sehr amtliches Hardcore-Brett spielten. Die Band gibt es seit vielen Jahren nicht mehr, spielt alle Schaltjahre aber doch mal zum Tanz auf.
Und den gab es an diesem Samstag. Vom ersten Ton an herrschte das Chaos. Bierflaschen zersplitterten im knallig-heftigen Pogo, Unmengen von Bier flogen durch die Luft, der Sänger machte Stagediving – einmal quer durch die Kneipe und wieder zurück. Auch ich hüpfte ein wenig, purzelte im Getümmel dann einmal ziemlich heftig auf den Rücken, wurde aber hochgezogen und wieder in die Meute geschmissen.
»Wie früher« eben, mit allen Begleiterscheinungen. Wer mag, darf das als »retro« bezeichnen. »Oldie-Rock-Show«-Charakter hatte es angesichts der letalen Mengen an Alkohol, die vernichtet wurden, wenig zu tun, und der tobende Mob vor der Bühne wirkte auch nicht gerade bürgerlich-verweichlicht.
Danach gab's noch Punkrock-Disco, weiteres Bier, einige Schnäpse und sich steigernd-intellektuelle Gespräche zwischen allerlei Leuten. Als ich gegen drei Uhr auf mein Rad stieg, um die Stadt zu durchqueren, fühlte ich mich nicht mehr nüchtern, um es vorsichtig zu sagen, dafür aber ziemlich glücklich.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Leider ist es auch in diesem Blog nötig geworden, Kommentare vorher zu »filtern« und sie erst danach freizuschalten. Ich bedauere das sehr, möchte diese »Sicherungsfunktion« aber beibehalten. Dieser Blog soll keinen Menschen für Beleidigungen und anderes zur Verfügung stehen, die im Zweifelsfall tagelang online sein könnten.
Bitte habt dafür Verständnis - und nötigenfalls auch mal 24 Stunden oder länger Geduld.