26 April 2013

Journal für Literatur und Graphik

In den frühen 80er-Jahren kam aus Bonn die Zeitschrift »Dichtungsring«, die – wenn mich meine Erinnerung nicht trügt – über einige Science-Fiction-Fans mit der »normalen« Fanzine-Szene in Verbindung stand. Ich war »Dichtungsring«-Abonnent und mochte das lyriklastige Heft schon wegen seiner schönen Gestaltung, aber ebenso wegen der geglückten Textauswahl.

Das ist lange her, und mit »500 gramm« kommt aus der ehemaligen Bundeshauptstadt ein gelungenes neues Heft, das sich im Untertitel als »Journal für Literatur und Graphik« bezeichnet. Das Format ist ungewöhnlich: Zwischen A5 und A4 gelegen, orientiert es sich in punkto Größe am Comicheft-Format. Gedruckt ist es allerdings in schwarzweiß ...

Die 40 schön gestalteten Seiten haben einen starken Lyrik-Schwerpunkt; dazu kommen einige erzählende Texte. Die Gedichte treffen nicht immer meinen Geschmack, manche sind einfach banal: »dieser tage fiel mir wieder ein / was ich wohl gerade mache« ist ein schönes Beispiel für Facebook-Lyrik, für Textzeilen, die sich lesen, als habe man sie aus einer »Timeline« kopiert.

Mein Lieblingstext ist »Revolution
Dankgebet«, der in der original-arabischen Fassung und in einer deutschen Übersetzung abgedruckt worden ist: eine Kaskade von Sätzen und Fragmenten, die klingt, als sei sie atemlos in die Welt geschrien worden, zugleich ein beeindruckendes Porträt der Ereignisse auf dem Tahirplatz in Kairo.

Insgesamt ist »500 gramm« eine Wundertüte, bei der mir nicht alles gefallen kann: Brillante Texte stehen neben lahmen Sätzen – das ist aber Geschmackssache. Als Einblick in die deutschsprachige Lyrik-Szene finde ich es gelungen. Und jetzt muss ich mir nur überlegen, ob ich nach den zwei Probeheften, die ich gekauft habe, wieder einmal ein Abonnement für eine Literaturzeitschrift aus Bonn abschließe ...

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