Vielen Lesern von populären Kriminalromanen ist der Name Andrea Camilleri bestens bekannt: Der Schriftsteller stammt aus Sizilien, und seine Krimis um den Commissario Montalbano haben ihm im deutschsprachigen Raum bereits Kultstatus beschert. Was immer wieder vergessen wird, ist die Tatsache, dass Camilleri darüber hinaus mit seinen »allgemeinen« Romanen zu den bedeutendsten Schriftstellern der italienischen Sprache zählt.
Zudem ist er ein politischer Autor. Das merkt man dem Roman »Streng vertraulich« an, den ich zuletzt von ihm gelesen habe. Er spielt im Jahr 1929, zu einer Zeit also, in der Italien fest im Griff der Faschisten unter dem »Duce« Mussolini stand.
In dieser Zeit kommt ein ungewöhnlicher Gast in eine Kleinstadt nach Sizilien. Der Gast ist ein »Neger«, ein »Schwarzer«, vor allem aber ist es ein Neffe des Kaisers von Äthiopien. Eigentlich soll der junge Afrikaner studieren, doch er wird ganz schnell zu einem Objekt der Begierde: nicht nur der Frauenwelt, sondern auch der Politik.
Da Äthiopien im Ziel der faschistischen Expansion steht, verspricht man sich von der Verbindung des jungen Mannes mit der Regierung sehr viel ... und so beginnt eine irrwitzige Geschichte um Geld und Lügen, um Liebe und Intrigen, um dämliche Befehle und große Ideale.
»Streng vertraulich« erzählt eine wahre Geschichte mit heutigen Mitteln und augenzwinkerndem Humor nach. Der Faschismus wird lächerlich gemacht, die Tragik hirnloser Befehle durch Satire auf die Spitze getrieben.
Camilleri macht das mit schriftstellerischer Raffinesse. Sein Roman kommt ohne eine direkte Handlung aus und verzichtet auf eine herkömmliche Szenenfolge. Er besteht aus Briefen und Protokollen, schriftlichen Befehlen und wenigen Dialogen. Dennoch kann man als Leser der Handlung wunderbar folgen und lässt sich bereitwillig in den Sog dümmlicher Faschisten hineinziehen.
Ich amüsierte mich sehr gut bei der Lektüre, auch wenn ich sicher nicht jede politische Anspielung verstanden habe. Dazu habe ich nicht genügend Ahnung von der italienischen Politik. Der Roman ist witzig und politisch, er ist aufgrund seiner Struktur anspruchsvoll-literarisch und lässt sich dennoch leicht lesen. Klasse!
Erschienen ist das Werk bereits vor zwei Jahren im Verlag Nagel & Kimche, einem Imprint der Hanser-Gruppe. Die Hardcover-Version umfasst 272 Seiten und kostet 19,90 Euro.
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