10 Juli 2012

Die Hochzeits-Rechnung

Der offizielle Termin, an dem meine Eltern den Bund der Ehe schlossen, war der 1. Mai 1954. Da dies ein Samstag war, wurde das offizielle Hochzeitsmahl am Sonntag, 2. Mai 1954 abgehalten – das ist zumindest die nachträgliche Vermutung. An diesem Sonntag traf sich die Hochzeitsgesellschaft im Gasthof Krone, den es als Gasthof schon lange nicht mehr gibt – nur noch die nach ihm benannte Kronengasse.

Der Gasthof wurde damals von Max Lenk geführt. Von diesem kam am 7. Mai 1954 die in einer schönen Handschrift gestaltete »Hochzeit-Rechnung«. Die für damalige Verhältnisse sehr hohe Summe betrug 271,65 Mark; mein Vater war zu jener Zeit Elektriker auf Baustellen, meine Mutter schuftete als Hilfsarbeiterin.

Aus der Rechnung geht unter anderem hervor, dass vierzig Personen ein Mittagessen erhielten – der Preis hierfür betrug 2,80 Mark. »Für Schulkameraden und Geschäftskollegen«, die wohl später kamen als die Gäste zum Mittagessen, gab es »14 mal Bratwurst mit Salat« für insgesamt 16,80 Mark. Und für 15 Personen gab es »Nachtessen à 1,20«.

Es wurde vor allem Sprudel und Apfelsaft getrunken, erstaunlicherweise auch 45 Portionen Kaffee, der mit 1,20 Mark vergleichsweise teuer war. Noch erstaunlicher: Trotz des sehr proletarisch-bäuerlichen Umfelds meiner Familie flossen 16 Gläser Rotwein und nur fünf Bier, die übrigens damals gerade mal 65 Pfennig kosteten.

5 Kommentare:

  1. 5 Bier, ein paar Wein. Der Schwabe trinkt eher wenig, so scheint’s. Ist das zutreffend?

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  2. Ich würde sagen: Das waren damals alles arme Leute - Handwerksgesellen, Hilfsarbeiter und Bauern. Da hat man im Lokal generell nicht viel getrunken. Mein Vater kam erst 1948 aus der Kriegsgefangenschaft zurück; er hat für Pfenniglöhne geschuftet, was damals üblich war.

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  3. Nuja, damals war Kaffee noch ein absolutes Luxusgut. Unter der Woche gab es Muckefuck und echter Kaffee war etwas für Sonntags.

    Daher ist der hohe Preis durchaus nachvollziehbar.

    Mela

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  4. Stimmt. Das hatte ich auch komplett vergessen. Bei uns gab's noch lange Muckefuck, auf jeden Fall in den 60er-Jahren durchgehend und wahrscheinlich auch in den 70er-Jahren, als es finanziell echt so richtig eng war. So eine Papp-Packung war das, weiß mit blauen Punkten, wenn ich mich recht erinnere.

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  5. Alex P. aus Hamburg7:43 PM

    Ich wusste doch, dass mir der Artikel irgendwie bekannt vorkam...
    Siehe hier Dein Blogeintrag:

    31 Januar 2012 Großes Essen im Gasthof Linde

    Wenn Du so weiter machst, kann man das als Studie über die Preissteigerungen für Grundnahrungsmittel seit dem Krieg nutzen.

    Liebe Grüße aus Hamburg
    Alex

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