Dass ich ein Fan der Maigret-Romane bin, habe ich an dieser Stelle schon oft genug verlautbart. Aktuell las ich »Maigret in Nöten«, den 18. Band der Maigret-Gesamtausgabe, die bekanntlich im Diogenes-Verlag erscheint.
Der Titel ist ein wenig unglücklich gewählt: Im französischen Original heißt der Roman »L'Ecluse No. 1«, also »Schleuse Nummer eins«, und an dieser Schleuse unweit des Pariser Stadtzentrums spielt sich alles ab – der Kommissar kann so zu Fuß zu seinem Fall gelangen.
Auf einen reichen Unternehmer, der sich aus einfachsten Verhältnissen hoch gearbeitet hat, wird ein Mordversuch unternommen. Er überlebt. Als Kommissar Maigret auftaucht, sticht er in ein Nest aus Intrigen, bösartigen Verleumdungen, schmierigen Beschimpfungen, kurzum, er kommt in einen zwischenmenschlichen Alptraum. Kurz darauf sterben zwei weitere Personen ...
Eine seltsam düstere Stimmung herrscht in diesem Roman vor. Das liegt sicher daran, dass Maigret eigentlich seinen Abschied von der Kriminalpolizei genommen hat und nur noch wenige Tage im Dienst ist. Es hat aber ebenso seine Ursache in der Atmosphäre am Ufer der Seine: Schweigsame Männer gehen einer harten Arbeit nach, die Frauen sind häufig verstörte Wesen, das Leben flutet gewissermaßen an allen vorbei, und jede der auftauchenden Figuren steckt voller Probleme.
Kein Wunder, dass der Roman fast schon offen endet. Es gibt einen Täter, der am Ende überführt ist, aber Maigret muss kaum etwas ermitteln, sondern lässt die Personen einfach alle selbst reden.
Georges Simenon, der Maigret in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts zum Leben erweckte, beschreibt wieder messerscharf. Die Szenerie an den Kais, die Arbeit an der Schleuse, das einsame Trinken in der Bar – das alles macht er mit wenigen szenischen Schilderungen lebendig.
Man muss sich darauf einlassen. Als Jugendlicher hatte ich mich an Maigret versucht und konnte nichts damit anfangen. Das leuchtet mir heute ein: Offensichtlich bedarf es eines gewissen Erfahrungshorizonts, um die Geschichten überhaupt verstehen und einordnen zu können.
Dann aber entfalten sie ihre Wirkung – und »Maigret in Nöten« hat diese Wirkung bei all der depressiven Stimmung und düsteren Szenerie. Ein starker, kleiner Roman, der nachwirkt, aber keine Sekunde lang fröhlich ist.
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