Es war ein Plan, der viel Ähnlichkeit mit Punkrock-Ausflügen in den 80er-Jahren hatte: Am Samstag abend, 12. Mai 2012, fuhren wir nach St. Wendel im Saarland – eine ganz schöne Entfernung ... –, um uns dort eine Handvoll Bands anzuschauen. Das Festival wurde in einer Halle mitten in der Kleinstadt veranstaltet; als wir gegen 20 Uhr eintrafen, waren die Straßen voll mit Punks, Hardcore-Kinds und anderem Jung-Volk.
Wir hatten die ersten vier Bands des Festivals bereits verpasst, was in gewisser Weise auch geplant war. Als arrogante olle Säcke wollten wir erst zu den Bands anreisen, von denen wir wussten, dass sie uns gefallen würden.
Es war schon ein seltsames Gefühl, Conmoto auf einer großen Bühne zu sehen; bisher hatte ich die Band nur einmal in der »Alten Hackerei« erlebt. Auf der großen Bühne mit all dem Geflacker der Disco-Beleuchtung gaben die drei jungen Männer und die junge Frau aber alles: Was die machen, ist meilenweit vom üblich punkigen Sound entfernt, wäre in den 80er-Jahren womöglich in eine Postpunk- oder Postcore-Ecke gesteckt worden, ist aber vor allem live echt überzeugend – aber es ist natürlich nicht die Musik, die Hunderte von Kids ausflippen lässt.
Danach spielten Captain Planet, die ich live enttäuschend fand. Die Musik ist okay, die Texte kann man sich ebenfalls anhören; auf der Bühne war der Emopunk zu schlapp für mich. Wir gingen in den Vorraum, wo es veganes Essen gab, wo man Bier kaufen konnte, wo aber vor allem ein Fernseher stand – und dort guckten wir das Pokalfinale zwischen Dortmund und Bayern. Das war ein spannendes Kontrastprogramm.
Die Band des Abends war Pascow: Die Jungs kommen aus dem Saarland, und für sie war es sichtlich ein Heimspiel. Das Publikum war textsicher bis in die letzte Reihe und sang lauthals mit; es gab richtig viel Pogo, und die Stimmung war ständig am Kochen. Großartig!
Wir sahen die Band in diesem Jahr zum zweiten Mal – und sie waren noch viel besser als im Februar in Solingen. Kein Scheiß: Deutschsprachiger Punkrock in diesem Jahrzehnt kriegt wohl keine Band besser hin als die Burschen aus dem Saarland – das knallt und rockt und rotzt, mit schlauen Texten, einem guten Humor und einer sauguten Präsenz auf der Bühne.
Lustiges Verhalten mancher Jungmänner: Sie rannten auf die Bühne, fuchtelten dann herum, deuteten also an, dass sie gleich ins Publikum springen würde. Wie man das halt beim Stage Diving so macht. Dann aber beugten sie sich nach vorne und krochen gewissermaßen auf die hochgehaltenen Hände hinaus. Das war dann eher Stage Crawling, sah zeitweise schauderhauft peinlich aus, störte aber auch niemanden.
Zuletzt kamen die Spermbirds, eine Band, die ich im Verlauf des letzten Vierteljahrhunderts bestimmt vierzig Mal gesehen habe. Das Publikum schien sich bei Pascow verausgabt zu haben; es war deutlich weniger los.
Und der Mixer schien die Band zu hassen: Der Sound war richtig scheiße, es war auf einmal unglaublich viel Hall auf der Stimme und den Instrumenten, und das schien der Stimmung zu schaden. Die Band war trotzdem gut, Lee Hollis und seine Mannen können's immer noch – aber es war keines der Konzerte, von dem ich noch in Jahren schwärmen werde.
Um halb ein Uhr nachts verließen wir St. Wendel; es hatte fünf Grad plus. Als wir gut zwei Stunden später in Karlsruhe ankamen, nach einer eigentlich guten Fahrt über die nächtliche Landstraße und Autobahn, hatte es siebeneinhalb Grad. Immerhin.
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