17 März 2009

Gespräch am Messestand

Samstag mittags, schon recht spät; ich war müde, und ich hatte ein Manuskript vor mir liegen, das ich kritisch las, einen Schreibstift in der Hand. Auf einmal stand eine Frau vor mir, vielleicht Ende der vierzig, einen Jungen neben sich, vielleicht zwölf Jahre alt.

»Sie sind Lektor?«, fragte sie, ohne »Guten Tag« zu sagen.

Ich guckte sie irritiert an. »Ja«, sagte ich.

»Mein Sohn hat ein Fantasiegedicht geschrieben«, redete die Frau weiter, und sie sprach das Wort auf deutsch aus.

Ich war ein wenig zermatscht, und mir fiel nichts kluges ein. »Ja«, sagte ich erneut.

Jetzt war die Frau verwirrt. »Ähm, interessiert Sie das vielleicht? Wollen Sie das veröffentlichen?«

»Wir machen hier nur PERRY RHODAN.« Ich wies auf den Messestand rings um mich, mit Dutzenden von Büchern, Hörbüchern und eindeutiger Beschriftung und Bebilderung.

»Oh.« Sie nahm ihren Sohn an der Hand und zerrte ihn von mir weg. »Das ist dann ja das Gegenteil. Hier ist mir zu viel Gewalt, das ist nichts für meinen Sohn.« Fluchtartig verschwand sie im Gewusel der Menschen auf dem Gang.

Und ich war heilfroh, mich um die Folter-Szene in dem Fantasy-Manuskript vor meiner Nase kümmern zu können.

4 Kommentare:

  1. Anonym10:41 PM

    Das ist ja wie im Film oder einer schlechten, deutschen Comedyserie. Ich weiß nicht, wer mein Mitleid mehr verdient hat. Der arme, kleine Junge mit dem Fantasiegedicht, die verblendete, ungewollt komische Mutter oder der geplagte, "zermatschte" Lektor. Für den Jungen hoffe ich, dass er trotz seiner fürsorglichen Mutti Spaß an der Buchmesse hatte. Für die Mutter hoffe ich, dass ihr Sohn nie den gewaltverherrlichenden und absolut bösartigen Rollenspielen verfällt. Dem armen Lektor kann ich nur aufmunternd auf die Schulter klopfen und ihm sagen, dass der post meinen Tag gerettet hat. Das war heute das erste, richtige Lächeln...

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  2. Anonym9:30 AM

    Endlich sagt mal einer, was Sache ist: Mehr Fantasie und weniger Gewalt.
    Selbst in Anbetracht der Tatsache, dass sich die gute Frau wohl völlig verlaufen hat. Ich hoffe, es war ihrem Sprößling nicht allzu peinlich.
    ;)
    Ich stelle mal wieder fest, die besten Geschichten schreibt doch das Leben, gelle? So. genug Phrasen gedrescht. Zurück an die Arbeit.

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  3. Anonym9:39 AM

    Ich habe mich über den Beitrag auch sehr amüsiert. Die Story hat Potential...
    Vielleicht hat die Mutter ja recht, wenn man zum Beispiel Harry Potter und Watchmen vergleicht. ;-)

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  4. Anonym11:22 AM

    Guten Tag, lieber Herr Frick!

    Danke für den amüsanten Eintrag.
    Nun habe ich keine Zweifel mehr. Sie sind tatsächlich unter uns! Solch "Unheimliche Begegnungen der dritten Art" habe ich öfter und bin froh, dass ich darüber lachen kann.
    Nur eine Frage an den Mann aus dem SF-Fach: Warum so überrascht?

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