Es gab eine Zeit, da kannte ich mich in Stuttgart gut aus, wußte den Weg zu allen möglichen Veranstaltungsorten und hatte vor allem das Gefühl, sehr viele Menschen auf Konzerten zu kennen. Wie lange die 80er Jahre her sind, merkte ich so richtig deutlich, als ich am Mittwoch, 20. August, mit Ulf durch die Stuttgarter Innenstadt ging und den »Keller-Club« suchte.
Der erwies sich als ziemlich klasse wirkender Veranstaltungsraum im Keller – daher der Name! – und das auch noch mitten in der Stadt; wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, war ich ganz in der Nähe, quasi um die Ecke, anno 1981 in der »Alten Mausefalle«. Der »Keller-Club« ist vor allem deshalb so klasse, weil man die Chance hat, auf einer Art Empore vielleicht einen Meter oberhalb der Pogo-Fläche zu stehen. Für ältere Menschen wie mich eine sehr angenehme Möglichkeit, weit vorne zu stehen und die Brille aufzubehalten ...
Wir hatten die zwei Vorgruppen eh verpaßt und kamen gerade rechtzeitig, um die erste der zwei Ami-Bands zu sehen: The Unseen rotzten eine derartige Punk-Breitseite runter, daß es mir die Sprache verschlug. Die Amis orientieren sich in punkto Outfit und Sound am metallischen Teil des britischen 82er-Styles; wer eine Hausnummer mag, notiere sich »G.B.H. mit doppelter Geschwindigkeit« oder meinetwegen auch »Broken Bones auf 45« - damit kommt man hin.
Dem textsicheren Publikum gefiel's, der Pogo war geil und ruppig und komplett frauenfrei. (Ich könnte ja jetzt den Begriff »Macho-Pogo« benutzen, wüßte ich nicht, wie ich selbst früher gepogt habe.) Und The Unseen finde ich nach diesem Abend jetzt wirklich sehr gut: Das war ein volles Brett, räudig und punkig und ohne Umschweife.
Danach Leftöver Crack aus New York, die ich auf Platte genial finde, die aber live eine Schwäche hatten: den besoffenen Sänger. Heute finde ich das eben nicht mehr so lustig wie früher, als beispielsweise der Tarnfarbe-Sänger von der Bühne flog – mittlerweile empfinde ich Mitleid mit einem Mann, der sich öffentlich mit einer Flasche Whisky zulötet.
Musikalisch finde ich die Mischung aus politischen Texten, Ska und Hardcore immer noch beeindrucken; die Band ist eine der wenigen, auf die ich heute das Etikett »genial« kleben würde, in gewisser Weise die legitimen Nachfolger der False Prophets, die ja auch aus New York kamen. Das schon nicht mehr so zahlreich vertretene Publikum ging begeistert mit, gegen Ende mit immer mehr jungen Frauen in der ersten Reihe.
Um's kurz zu machen: ein genialer Punkrock-Abend. Um drei Uhr nachts war ich daheim – und ich hatte das Gefühl, der Ausflug nach Stuttgart habe sich mal wieder gelohnt. Einen Bericht vom Konzert inklusive eines Youtube-Filmchens gibt es übrigens im Skui-Blog.
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