19 September 2006

Karl-Herbert und ich

Ich bin immer noch sehr beeindruckt von der unglaublichen Arbeit, die sich eine Gruppe von aktiven PERRY RHODAN-Fans gemacht hat, als sie den Schuber mit »Kommandosache K.H. Scheer« zusammenstellten. Auf insgesamt zwei Paperbacks und einer CD-ROM geht es um nichts anderes als um den Science-Fiction-Schriftsteller Karl-Herbert Scheer, der unter anderem die PERRY RHODAN-Serie begründet hat, der in den 50er und 60er Jahren aber auch Piratenabenteuer und anderes Zeugs verfasste: 400 Seiten, die pickepackevoll sind mit Informationen.

Eine respektable Arbeit, die ich vor allem deshalb auch so toll finde, weil die Aktivisten des Terranischen Clubs Eden auch die kritischen Blicke auf den Autor nicht vergessen. Sogar die unsäglichen Angriffe in den 60er Jahren, in denen Scheer allen Ernstes als Faschist bezeichnet wurde, verschweigen die Herausgeber um Kurt Kobler nicht.

Und ich bin mit einem Beitrag vertreten, was mich sehr gefreut hat. Den Beitrag dokumentiere ich hier im Blog einfach im Kommentar.

Wer sich für Science Fiction interessiert, sollte sich mal über das umfangreiche Werk informieren. Es lohnt sich echt!

1 Kommentar:

  1. Saarbrücken war der Wendepunkt

    Zu Karl-Herbert Scheer hatte ich bis 1986 ein gespaltenes Verhältnis: Als jugendlicher PERRY RHODAN-Fan war ich vor allem von seinen Romanen begeistert, und die damals in gelbem Umschlag erscheinenden »UTOPIA-Klassiker« aus seiner Feder prägten mein frühes Bild der Science Fiction. Als ich dann etwas älter – und vor allem politisch engagierter – wurde, bekam mein Bild von Karl-Herbert Scheer erste Risse; es gehörte sich in der damaligen SF-Szene, den Autor zu kritisieren.

    Aber als ich ihn endlich persönlich kennenlernte, entwickelte sich ein ganz neues Bild. Der PERRY RHODAN-WeltCon, der im Spätsommer 1986 in Saarbrücken veranstaltet wurde, bot dafür eine sehr gute Gelegenheit.

    Zu dieser Zeit arbeitete ich – was sogar in meiner Erinnerung immer mehr verblasst – schon einmal in der Verlagsgruppe Pabel-Moewig, wie das Unternehmen in Rastatt damals hieß. Ich war in der Abteilung Public Relations als Assistent beschäftigt und sollte vor allem bei der Vorbereitung des PERRY RHODAN-WeltCons helfen. Eine interessante Aufgabe, an die ich heute mit Schmunzeln zurückdenke, vor allem, wenn mir die Vorberei-tungen zu Sonderzügen und andere Details in die Erinnerung rutschen.

    Aber darum soll es in diesem Text nicht gehen. Der WeltCon war für mich die erste Gelegenheit, die Seiten zu wechseln: vom kritischen Fan hin zum Verlagsmitarbeiter. Im Trubel der Vorbereitungen kam ich kaum dazu, mit den Autoren mehr zu besprechen als organisatorische Dinge – und auf dem Con selbst war ich teilweise vor allem damit beschäftigt, Autoren und Zeichner aus Fan-Gruppen loszueisen, um sie auf irgendwelche Bühnen zu schleppen. Wenn ich nicht gerade Pressevertreter betreute ...

    Am Samstag hatte ich aber eine zusätzliche Aufgabe: Ich sollte mich ein bisschen um die Eheleute Scheer kümmern. Und so kam es, dass ich mit Heidrun und Karl-Herbert Scheer Taxi fuhr, Kaffee trank und mich gut mit den beiden unterhielt. An Details kann ich mich nach all den Jahren nicht mehr erinnern – es waren wohl keine bedeutungsvollen Gespräche.

    Ich erinnere mich aber daran, wie sehr diese Unterhaltung mein Scheer-Bild veränderte. Da saß mir kein »Handgranaten-Herbert« mit bärbeißigem Humor gegenüber, kein Waffenfetischist oder Technik-Fanatiker – und was ihm die so genannten Kritiker sonst noch alles vorwarfen –, sondern ein freundlicher Herr mit Humor, Weltblick und Gemüt.

    Nach dem WeltCon sah ich manchen Scheer-Roman ganz anders. Man konnte sein umfangreiches Werk, das seit den fünfziger Jahren stetig gewachsen war, durchaus mit einer kritischen Brille betrachten und fand dann vieles, das einem nicht schmeckte. Wer wollte, konnte viele Dinge hineininterpretieren, die der Autor möglicherweise ganz anders gesehen hatte.

    Für mich stellte sich Karl-Herbert Scheer in stärkerem Umfang als bisher als ein Autor heraus, der sich sehr stark um menschliche Dinge kümmerte und gesellschaftliche Themen in seinen Heftromanen reflektierte: Während im Nahen Osten Bomben explodierten und religiöse Fanatiker den ersten Golfkrieg anzettelten, ließ Scheer in seinen PERRY RHODAN-Romanen zwei Raumfahrer agieren, deren Namen sie eindeutig als einen Moslem und einen Juden charakterisierten. Sein alter Admiral Clifton Callamon war eindeutig eine Parabel auf andere »Alte«, die ihr Problem mit den Entwicklungen der neuen Zeit hatten (Scheer sah sich hier selbst wohl reflektiert). Und einen ehemaligen Drogensüchtigen (Ratber Tostan), der noch an den Folgen seiner Sucht leidet, zum positiven Helden mehrerer Romane zu machen, war in Heftromanen vorher undenkbar gewesen.

    Man tut Karl-Herbert Scheer unrecht, wenn man ihn auf Geheimdienst- und Militär-Romane reduziert. Selbst wenn man sich – vor dem Hintergrund vergangener Jahrzehnte – seine frühen Romane anschaut, stellt man fest, dass sich der »menschliche Faktor« stets durchzieht. Scheers glaubhaft geschilderte Charaktere jonglierten zwar mit Superwaffen und geheimnisvollen Fähigkeiten, hatten aber oft eine »dunkle Seite«, die sie menschlicher und nachvollziehbarer machte.

    Je länger ich mich nach dem PERRY RHODAN-WeltCon 1986 mit KHS und seinem Werk beschäftigte, umso deutlicher wurde, dass er mehr war als »nur« ein Heftromanautor. In einer anderen Zeit und mit stärkeren Entfaltungsmöglichkeiten hätte er es zu »größeren Ehren« gebracht. So aber konzentrierte er sich auf PERRY RHODAN und schuf zusammen mit seinen Kollegen das Fundament zu einer beispiellosen Serie. Im Gegensatz zu vielen Bestseller-Autoren der fünfziger und sechziger Jahren ist er nicht in Vergessenheit geraten, sondern lebt in der Erinnerung seiner Fans und im Gesamtwerk der PERRY RHODAN-Serie weiter.

    Und in meiner Erinnerung, die geprägt ist von jenem Spätsommertag in Saarbrücken ...

    Klaus N. Frick, 21. Dezember 2005

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