25 November 2007

Funkstille ...

Nur damit niemand fragt: Die naechsten Tage wird auf diesem Blog Funkstille herrschen. Mindestens die komplette Woche, vielleicht auch mehr.

Dringende, sehr private und sehr grosse Probleme.

24 November 2007

Ein Gefuehl von Heimat

Fuer zwei Stunden bricht der andalusische Spaetsommer aus, zwar mit sehr kuehlem Seewind, aber immerhin mit viel Sonne. Also eile ich an den Pool, Hartmut Kaspers wunderbares Buch "Drei-Maenner-Eck" unterm Arm, und beschliesse, endlich mal so richtig Tourist zu sein.

Ohne irgendwelche Blicke nach rechts und links geht es nicht. Ich sehe faltige Baeuche und haengende Brueste und finde mich auf einmal gar nicht mehr so alt und dick. Urlaube im Rentnerparadies machen einen deutlich juenger in der Selbstwahrnehmung. Das mag gemein klingen, ist aber so.

Eine Dame in der Naehe liest ein duennes gruenes Taschenbuch. Intensiv und mit grossem Interesse. Vor ihr glitzert der Pool, ueber ihr pirscht sich die naechste Wolkenfront an den Strand heran, das alles interessiert sie nicht: Ihre Welt ist sichtlich auf grauem Papier und gedruckt mit schwarzen Lettern.

Als ich gehe, eingeschuechtert vom duester werdenden Himmel und einigermassen frustriert vom Standard-Urlaubs-November-Wetter, gucke ich, was sie da eigentlich liest. Es ist ein Heimatroman, ich sehe das Moewig-M in weiss auf dunkelrotem Hintergrund, und neben ihr liegt ein Romantic Thriller in violettem Umschlag.

Massenkonfektionsware, wie sie unser Buchverlag exklusiv fuer den Weltbild-Vertrieb hergestellt hat, zu einer Zeit, als es noch einen Moewig-Buchverlag gab. Fach- und sachkundige Lektoren wie Peter Bramboeck, Otmar Fischer, Ulrich Magin und Dr. Marten Brandt haben sich jahrelang an diesem literarischen Fastfood verdienstvoll abgearbeitet.

Jetzt und in der Freme freue ich mich geradezu ueber dieses Zeichen von Heimat. Ich moechte der Dame ein "Herzlichen Glueckwunsch zu dieser gelungenen Wahl!" zurufen und ihr gratulieren, aber ich lasse es sein.

Das trockene Zimmer wartet. Und vielleicht die Bahn in das hoffentlich trockene Malaga.

23 November 2007

Englische Sitten und Gebraeuche

Geht man an der Hauptstrasse von Torremolinos aus in Richtung Benalmadena, kommt man an einer Art englischer Kolonie vorbei: eine Ansammlung kleiner Restaurants, Buden, Bars und Clubs, die alle so aussehen, als haette man sie von London, Brighton, Manchester oder sonstwoher en bloc an die spanische Kueste versetzt.

Ich unternahm gestern abend einen Spaziergang, es war vielleicht elf Uhr, und ich passierte diese Ecke, allerdings auf der anderen Seite der Strasse. Von hier aus hatte ich einen guten Blick auf eine Kneipe, die "best fish & chips" versprach, eine Luege, die jeder Nicht-Englaender sofort durchschauen wird, weil es ja per Definition keine guten Fish & Chips geben kann.

Vor der offenstehenden Kneipentuer, durch die Licht auf die Strasse fiel, tummelten sich einige Leute. Neugierig blieb ich stehen. Ich sah: drei Schaulustige in der Kneipentuer, ein junger Mann auf dem Boden, zwei andere, die auf ihn eintraten. Immerhin nur mit Turnschuhen und nicht mit schweren Stiefeln. Einen Augenblick lang ueberlegte ich, ueber die Strasse zu rennen und ihm zu helfen.

Ein schoener Held waere ich gewesen, das erkannte ich sofort. Der Liegende lachte und stand auf, schubste seine Spielkameraden, und gemeinsam gingen sie zurueck in die Biertraenke.

Ein echter Spass. Hatten die Burschen fuers naechste englische Kneipenwochenende geuebt, wenn es aufzupassen gilt, dass man nicht "to be bottled" wird? Seltsame Sitten haben sie, die jungen Englaender.

22 November 2007

Wildes Nachtleben ...

In Torremolinos und im Nachbarort Benalmadena scheint zumindest in der Hochsaison schwer der Baer zu toben. Die zahllosen Kneipen, Bars und Restaurants, die jetzt groesstenteils leer sind oder in denen sich zwei Rentner-Ehepaare verlieren, legen davon ein deutliches Zeugnis ab.

Im kuenstlichen Hafengelaende von Benalmadena allerdings gibt es darueber hinaus eine Reihe von Diskotheken, die sich an der Strasse entlang reihen, und eine Reihe eher seltsam wirkender Clubs in einer Art Passage. Einer von den Laeden heisst "From Dusk Till Dawn", und da dachte ich, das koennte vielleicht doch mal einen Grund fuer einen gemuetlichen Absacker bieten.

Also ging ich gestern abend auf Diskotheken-Tour. Jawoll. Wie es sich gehoerte, guckte ich mir vorher das laue Spiel Deutschland gegen Wales in der Glotze an (da hatten die Buben sichtlich keine sonderlich grosse Lust, ihre Knochen mehr als noetig zu riskieren), dann zottelte ich ueber die naechtliche Uferpassage die 500 Meter bis zum Yachthafen.

Aus den groesseren Diskotheken drang durchgehend grausige Musik: Disco-Geplaerr sowie irgendwelcher Flamenco-Techno-Mix, der womoeglich gerade Mode ist. Vor den Eingaengen standen Typen, die vorbeigehende Passanten anlaberten ("Koberer" nennt man die in Hamburg, glaube ich). Ich war der einzige Passant unter 60, deshalb wohl eine interessante Zielgruppe, und ging freundlich abwinkend weiter.

In der duesteren Gasse, wo es unter anderem "From Dusk Till Dawn" und eine "Karoke"-Bar sowie anderes Zeugs gab, standen drei Maedchen in Miniroecken vor einer Kneipentuer. Ob ich denn bei und mit ihnen Striptease gucken wolle, fragte mich die eine.

Ich hatte das Gefuehl, alle drei Taenzerinnen des Abends auf einmal vor mir zu sehen und dann wahrscheinlich der einzige Gast zu sein. Waere ja glatt auch mal eine Erfahrung gewesen: ich allein im Striptease-Club.

Aber dann ging ich doch lieber aufs Hotelzimmer zurueck. Delling und Netzer zeigten noch ein bisschen andere Qualifikationsspiele. Und die Englaender gegen die Kroaten verlieren zu sehen, das hatte dann eher was.

21 November 2007

Nicht unfleissig ...

Gestern war tatsaechlich der erste Tag, an dem ich so richtig ins Schreiben geriet. Anfangs am Pool (bis es dort zu Nieseln anfing), spaeter auf dem Balkon, noch spaeter in meinem Zimmer. Am Sonntag war ich zu zermatscht vom Flug gewesen, am Montag hatte ich zu viel Zeit damit verbracht, mir die Gegend anzuschauen.

Einen Prolog fuer das Romanprojekt (der meiner Ansicht nach fehlte) habe ich erstellt, und ein komplettes Kapitel mit vier Szenen so gut wie durchgeschrieben. Das heisst natuerlich, dass ich noch sackviel Arbeit in das Redigieren stecken muss; aber wenn mal eine Struktur steht, faellt es mir leichter, an dieser weiterzumachen.

Heute mittag soll dieses Kapitel fertigwerden, inklusive einer einmaligen Bearbeitung, dann geht es an ein anderes Kapitel. Wobei ich derzeit ueberlege, ob ich eine Kurzgeschichte zwischendurch schreiben soll ... so etwas gibt ja kleinere Erfolgserlebnisse, weil hier zudem auch die Chance besteht, dass ich es irgendwo veroeffentlichen kann.

(Soll ich jetzt hoffen, dass der Dauerregen aufhoert und ich an den Pool kann, was aber gleichzeitig die Gefahr mit sich bringt, dass ich mit dem Zug nach Malaga hinueber fahre, um dort zu bummeln? Schwierige Entscheidung.)

20 November 2007

Zwischen zwei Staedten

So langsam bekomme ich einen Eindruck von der Gegend, in der ich urlaube. Gehe ich stundenlang am Strand entlang, komme ich in der einen Richtung irgendwann mal ins eigentliche Torremolinos< von dort geht es noch einige hundert Meter bis ins Zentrum der Gemeinde. Aehnlich in die andere Richtung ... da kommt der eine der zwei Kerne von Benalmadena (oder so) bereits nach gut 300 Metern, auch nicht schlecht.

Das Dumme daran ist, dass die vielen Spaziergaenge durchaus Zeit kosten und ich deshalb noch nicht so richtig mit dem angefangen habe, was ich mir eigentlich vorgenommen habe ... irgendwelches Zeugs schreiben naemlich. Wobei das "irgendwelches Zeugs" in meinem Kopf nun doch recht konkret ist. Ich muss nur schauen, dass ich mich a nicht uebernehme und b nicht auf den Urlaub verzichte.

Ach, man hat es schon schwer, wenn man es sich kuenstlich schwermacht.

19 November 2007

Ein bisschen Alltagsrassismus

Wenn man sich - wie ich - in so einem riesigen Touristengebiet aufhaelt, fallen einem doch recht schnell gewisse Typisierungen auf. Eine kleine Prise Alltagsrassismus gefaellig? Voellig subjektiv und so ...

Generell sind alle Touristen hier sehr alt. Es mag einige Kinder geben, die die Statistik drastisch senken, aber ansonsten gehoere ich definitiv zu den jungen Leuten hier. Vorherrschend sind Rentner beiderlei Geschlechts, manchmal in Reisegruppen.

Deutsche erkennt man daran, dass die Maenner Socken in Sandalen tragen und dass sie gern eine BILD-Zeitung spazieren fuehren. Die Frauen sind rundlich und laecheln gelegentlich freundlich, reden dafuer mit den Einheimischen gnadenlos pfaelzisch (gerade eben im Internet-Cafe) oder schwaebisch - das verstehen die Leute nicht mal in Norddeutschland.

Englaender erkennt man daran, dass die Maenner durch die Bank miese Taetowierungen auf den Unterarmen zu sein haben. Und sie tragen die SUN, das grausige Pendant zur deutschen Blut- und Sperma-Postille, unterm Arm. Die Frauen tragen schulterfrei und hauteng, egal wie rundlich sie sind.

Und Hollaender ... die gibt es hier in der Naehe des Strandes nur als kleine Minderheit. Naeher des Zentrums der Stadt scheint es einen hollaendischen Strandabschnitt zu geben; viele Beschilderungen in niederlaendisch. Rein optisch sah ich keine Unterschiede.

Es gibt nicht nur "weisse" Menschen hier, sondern auch Schwarze. Das sind die armen Schweine, die mit irgendwelchem ueberflussigen Plunder an der Strandpromenade stehen und versuchen, diesen Kram den flanierenden Touristen zu verkaufen.

18 November 2007

Im Urlaubergebiet

Ich schreibe diese Zeilen in einem Internet-Cafe in Torremolinos, das liegt in Suedspanien und dort in der Naehe von Malaga. Sieht man davon ab, dass die Tastatur dieses Computers voellig verschoben ist (alle Sonderzeichen an voellig anderen Stellen als auf der Tastatur angegeben) und ich staendig etwas suchen muss, klappt bisher alles.

Wobei ich jetzt wirklich im Touristenghetto gelandet bin. Ein grosses Hotel steht neben dem anderen, und an der Ufer-Promenade reihen sich die Cafes und Restaurants aneinander. Das Personal spricht ueberall Englisch und Deutsch, zumindest rudimentaer; meine muehsam erworbenen Spanischkenntnisse brauche ich nur aus Hoeflichkeitsgruenden.

Immerhin ist es hier sehr nett und auch sehr angenehm, was die Temperaturen angeht: nicht zu war eben, nur wuerde ich gern auch mal schwimmen gehen. Man kann nicht alles haben; ich bin hier, um endlich mal wieder auszuspannen und vielleicht auch mal den einen oder anderen Text zu schreiben.

Vielleicht komme ich mit meinem Romanprojekt weiter; das stockt ja, seit ich aus Singapur zurueck bin. Immerhin habe ich jetzt die Anmerkungen meines ehemaligen Dozentenkollegen, mit denen ich sicher gut arbeiten kann.

17 November 2007

Nur zehn Tage ...

Ich bin urlaubsreif. Und zwar so richtig. Zermatscht fühle ich mich, permanent müde und erschöpft. Und ich kacke Leute an, auch wenn's keinen echten Grund gibt.

Also muß ich weg. Zumindest für einige Tage. Vor eineinhalb Wochen war ich im Reisebüro. »Warm«, verlangte ich, »und nicht zu teuer.«

Ab Sonntag morgen bin ich jetzt in der Nähe von Malaga in Südspanien. Eine Hotelburg mit irgendwelchen 400 Betten. Mir egal: Hauptsache ist, daß ich einen Swimming Pool habe, daß ich was zu essen und zu trinken kriege, daß es warm ist und daß man mich einigermaßen in Ruhe läßt.

Ich will lesen, ein bißchen schreiben und viel planschen. Mehr nicht. Zehn Tage nur ... und dann geht's von vorne los.

16 November 2007

Lecker - und autonom wirkend

Der Kollege hatte uns die Homepage mit der Adresse und den exakten Namen des gastronomischen Betriebs genannt, aber ich hatte es großzügig vergessen. So irrten wir spät abends in stockfinsterer Dunkelheit durch einen Bezirk von Basel, in dem ich in meinem ganzen Leben noch nie gewesen war.

Immerhin fanden wir das alte Bahnhofs-Areal: Schienen, Gerümpel, alte Bahnhofsgebäude, Bauzäune - und alles finster. Einige Jugendliche fuhren im Hintergrund auf einer beleuchteten Halfpipe mit ihren Skateboards, von dort her kam auch Musik. Und natürlich hörte man die Geräusche der Straße.

Der »Erlkönig« versteckt sich in Basel wirklich gut; man muss ihn ein wenig suchen, wenn man nicht schlau genug ist und auf der Homepage nachguckt. Mir sagte jemand, dass nur jeder hundertste Mensch in Basel überhaupt jemals dort gewesen sei. Aha - glauben wir das also.

Mich erinnerten die Räumlichkeiten und das Publikum ein wenig an das »Fünf« in Karlsruhe: Die Bedienung trug Piercing, der Koch hatte längere Haare, und an der Theke saßen - als wir gingen - zwei Frauen in einer optischen Mischung aus Punkrock und autonome Antifa.

Und das Essen sowie die Getränke waren durchgehend lecker, von hohem Niveau und trotzdem bezahlbar. So richtig billig kamen wir nicht raus; zwei Personen landeten beim feudalen Menü inklusive Trinkgeld bei 80 Euro. Aber jeder Bissen war's wert.

Mein Tip für Basel: den »Erlkönig« suchen und dort dann lecker speisen!

15 November 2007

Hindernis Fliegerbombe

»Das glaubt mir kein Mensch«, sagte ich, als ich die Meldung im Radio hörte. Die Autobahn A6 bei Frankenthal sei gesperrt, weil man eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg zu entschärfen habe. Und ich fuhr dummerweise auf das Autobahndreieck Frankenthal zu ...

Soweit so schlau. Einige Blicke in die Straßenkarte später belegten, daß das alles gar kein Problem sein dürfte: Die Bombe lag zwischen dem Autobahndreieck und der Abfahrt Frankenthal, also in Richtung Mannheim.

Ich aber wollte in Richtung Saarbrücken fahren – um in einem kleinen Dorf im Pfälzer Wald geheimnisvolle Autorengespräche zu führen. »Alles kein Problem!«, jubelte ich und düste weiter auf Frankenthal zu.

Die Rechnung hatte ich aber ohne die Autobahnpolizei gemacht ... Die Autobahnabfahrt nach Saarbrücken war nämlich wegen einer Baustelle gesperrt. Man mußte, um nach Saarbrücken zu fahren, erst einmal in Richtung Mannheim, an der Fliegerbombe vorbei, nach der Bombe quasi wenden, um dann endlich in die richtige Richtung zu rollen. Na super.

Seither ist die Ausrede »Ich kam zu spät, weil eine Fliegerbombe im Weg war« meine liebste. Dagegen kann echt niemand ...

14 November 2007

Fußball und das Leben dazu


Ich bin kein Fußball-Fan, zumindest kein aktiver: Kommt Fußball in der Glotze und ich habe Lust, gucke ich schon mal zu. Und zweimal im Leben habe ich mir Zweitliga-Spiele im Stadion angeschaut, beides Mal in Mannheim und beides Mal in der Fan-Kurve des FC St. Pauli. Da ging's aber auch immer »mehr« als nur um Fußball.

Hin wie her: Ich mag den übersteiger, das Fußball-Fanzine aus Hamburg, das sich natürlich in erster Linie dem FC St. Pauli widmet. Die Nummer 85 ist wieder ein wundebares Beispiel dafür, wie gelungen das in diesem Heft gemacht wird: Da gibt's klassische Spielgerichte und Spieler-Interviews, aber ebenso Hintergrund-Artikel zu irgendwelchen Geschäftsleuten, die sich beim Verein »einkaufen« wollen, und anderes.

Eine beeindruckend bunte Lektüre, die ich trotz mangelnder Fan-Begeisterung immer mit großem Interesse lese. Die 36 Seiten kosten 1,60 Euro, und eigentlich sollte ein echter Fan das Heft im Stadion kaufen und hinterher lesen. Wer aber mag, kriegt die wichtigsten Artikel eh auf der speziellen Seite fürs Heft 85 geliefert - und das ist ein schöner Service in Zeiten des Internets, wie ich finde.

13 November 2007

Lesung im Dezember

Wieder einmal eine Lesung – hurra! Nach langer Pause bin ich wieder mal in Heidelberg zu Gast im Café Gegendruck. Ich freue mich schon sehr darauf.

Im letzten Jahr genoß ich es sehr, in diesem kleinen Café aus meinen Punkrock-Texten vorzulesen; dieses Jahr wird es wohl eher »afrikanisch« werden. Danach legt mein oller Kumpel Carsten unter seinem Pseudonym Karl Krawall entsprechende Musik auf.

Das paßt zu Weihnachten, denke ich.

12 November 2007

Ein Wort zum Selbstverständnis

Es soll ja Leute geben, die glauben, Bloggen sei so etwas wie der Journalismus der neuen Zeit. Da kann man schließlich im Warmen zu Hause hocken, man schreibt allerlei Zeugs, und die werbetreibende Industrie rennt einem dann die Bude ein.

Daß es nicht immer so ist, macht ein Artikel klar, den ich am Wochenende in der Blogbar gelesen habe. Ich gestehe aber, daß sich mein Mitleid mit Bloggern recht stark in Grenzen hält, die für einen sehr geringen Lohn für Profi-Blogs schreiben, um damit die Community-Ansprüche der Großindustrie zu unterstützen. Kein Geläster hier: Es muß jeder wissen, was er tut, und wer unbedingt schreiben und veröffentlichen will, kann dies ja überall tun.

Seien wir ehrlich: Der ENPUNKT-Blog ist deshalb die indirekte Fortsetzung des ENPUNKT-Fanzines (die neue Ausgabe hoffentlich im Januar 2008, puha!), weil ich hier schreiben kann, was ich will - und wann ich will. Und ich muß mich nicht einmal darum kümmern, wie ich das Layout mache und wie ich vor allem den Vertrieb auf die Reihe krieg'.

Das hier ist schlicht & ergreifend mein gottverdammtes Egozine. Und wen's nicht interessiert, muß es einfach nicht anklicken. Einen größeren Anspruch habe ich nicht. (Und Anzeigen gibt es hier deshalb nicht, weil es die auch im ENPUNKT-Fanzine nicht gibt.)

11 November 2007

Staufenberg gucken

Daß Tom Cruise ein hochrangiges Mitglied der Scientology Church ist und sich wohl immer wieder als ziemlicher Kotzbrocken aufführt: mir doch egal. Idioten gibt es genug, ich bin häufig von ihnen umgeben, und mir ist seine persönliche Religionsauffassung ziemlich egal. (Was nichts daran ändert, daß ich Scientology höchst ekelhaft finde. Aber das ist noch mal was anderes.)

Daß das Trara um seinen Staufenberg-Film ziemlich nervt und ich mich manchmal frage, ob jetzt eigentlich der Untergang des Abendslands droht, wenn der Film kommt - oder eben nicht -, ist mir dann auch wieder egal. Es gibt größere Probleme auf dieser Welt, und ich erachte die große Diskussion wegen dieses Films als ein Luxus-Problem.

Aber ... Hey, ich will den Film angucken! Nicht nur deshalb, weil ich einen der Statisten kenne, der da in der Wehrmachtsuniform durch Berlin stolziert (er jammerte en wenig wegen seiner schlimmen Frisur in diesem Film), sondern weil mich das Thema interessiert und weil ich weiß, daß der Regisseur schon einige saugute Streifen umgesetzt hat.

Und heute hab' ich endlich den Trailer angeguckt. Den gibt's nämlich ausgerechnet auf der Seite der Frankfurter Allgemeinen. Und sieht so aus, daß ich mir das Ding im nächsten Sommer wohl unbedingt angucken kann.

Ich kann ja beim Rein- oder Rausgehen ein fürchterlich revolutionäres »Scheiß-Scientology« in meinen Stoppelbart murmeln.

10 November 2007

Abendessen mit Geklimper

Und dann ging's im »Europäischen Hof« auch noch in ein gemeinsames Abendessen. Zwar »nur« Büffet, dafür aber sehr vielseitig. Im Restaurant de l'Europe fühlte ich mich dann angesichts fein livrierter Kellner und holzvertäfelten Wänden schätzungsweise eine Sekunde lang leicht »underdressed«.

Sei's drum. Während ich mein Essen (insgesamt vier Gänge schaffte ich, und alles war vegetarisch, teuer und lecker; die anderen futterten Fisch und Gans und so Zeugs) genoß, hatte ich viel Spaß dabei, das Publikum zu beobachten.

Eine Dame in schwarzem Kleid, zu viel Make-Up und schwarzem Hut saß am Klavier und spielte irgendwelche Sonaten; gelegentlich schien mir sogar eine Melodie bekannt vorzukommen. Auch wenn der Musik-Unterricht in der Schule schon so lange her ist - ein bißchen blieb wohl hängen.

Und eine andere Dame in gelbem Kleid und mit gelbem Hut saß allein an ihrem Tischlein, ließ sich von den Kellnern immer mal wieder ein »Weinchen« bringen und tänzelte gelegentlich durch den Raum, holte sich neues Essen vom Büffet, wischte dekorativ die grauen Locken hinter die Ohren zurück und ließ rot lackierte Fingernägel durch das Kerzenlicht funkeln.

Wunderbar. Ich verstand an diesem Abend, warum es in Baden-Baden zeitweise so eine heftige Punk-Szene gab ...

09 November 2007

Im bonzigsten Teil der Bonzenstadt

Ein über 170 Jahre alter Prunk-Bau, in dem im 18. und 19. Jahrhundert alle möglichen berühmten Russen abgestiegen: Generäle und Dichter, Fürsten und Revolutionäre. Und jetzt sitze ich in einem Saal mit Blick auf Bach, Kaiserallee und Schwarzwaldallee, friere ein wenig, weil die Fenster zugig sind, und lausche einem wichtigen Referat.

Das ist Baden-Baden. Und ich bin im Steigenberger Hotel »Europäischer Hof«. Plüschige Ausstattung, sündhaft teuer sieht alles aus. Ältere Damen in bunten Mänteln und mit breitkrempigen Hüten, dazu Männer mit schwerem russischem Akzent.

Es ist Abteilungsleiter-Konferenz. Ich trage einen Anzug, aber keine Krawatte, ich bin unrasiert und trage struppige Haare, die dringend geschnitten gehören. Ein Rest von Punk muß sein. (Und kein Kilometer von hier waren in den 80er und frühen 90er Jahren geile Punk-Konzerte.)

Auf der Straße führt ein Mann in dunklem Herbstmantel einen Hund spazieren. Der Köter sieht aus wie ein Windhund: schlank, langbeinig und leicht zitternd im Vor-Winter.

Sein Herrchen läßt ihn auf die Straße scheißen. Interessiert schaue ich zu, wie sich die lange braune Wurst auf den Asphalt entrollt. Es paßt irgendwie alles zusammen an diesem Freitag morgen.

08 November 2007

Zwischen Punk, Suff und Sex


Heutzutage ist Guy Helminger so etwas wie ein »gefeierter Literat«, und Manuel Andrack ist Redaktionsleiter bei irgendwelchen Shows mit Harald Schmidt. Vor über 15 Jahren stand Guy Helminger in einer Kneipe namens »Station« in Köln hinterm Tresen, Manuel Andrack war ein Gast – und ich besuchte den Laden meiner Erinnerung auch zweimal. Theoretisch könnten wir uns also mal getroffen haben.

Helminger schrieb über seine Arbeit in der »Station« einen Roman, der 1994 herauskam und sich chronisch schlecht verkaufte: ein Abriss über Suff, Punk und Sex, vor allem Suff und Sex. Jetzt kam der Roman neu heraus, verlegt bei Kiepenheuer & Witsch, und Manuel Andrack hat den Roman mit zahllosen Anmerkungen garniert.

Seien wir ehrlich: Helmingers Roman ist kein Meisterwerk. Sieht man von einigen Fickgeschichten ab, die teilweise auch noch ins rassistische Klischee abrutschen (eine Schwarze zieht sich im Abteil eines Zuges nackt aus, um den Ich-Erzähler zu verführen ... aha ... das sind ja mal seltsame Sex-Fantasien!), geht's eisgentlich nur um Saufen, immer wieder unterbrochen von Versuchen, literarische Sprache unterzubringen.

Dank Andracks Anmerkungen wird das Ding recht unterhaltsam. Mehr ist »Die Rache der Schlammkröte«, so der Titel dann doch nicht – man erfährt über die Kölner Punkrock-Szene nicht viel, und daß sich junge Männer in Kneipen besaufen und schlecht benehmen, wußten wir alle ja schon vorher.

Das Buch ärgert nicht, es unterhält tatsächlich ganz gut; Andracks Anmerkungen sind teilweise witzig. Haben muß es nicht einmal ein Kölner Lokalpatriot, und von denen gibt es ja fast eine Million.

Mit der ISBN 978-3-462-03784-5 kriegt ihr das Buch für 8,95 Euro in jeder Buchhandlung, wenn ihr wollt.

07 November 2007

Zweifel beseitigt

Nicht daß ich auch nur andeutungsweise Ahnung von Theater hätte ... Doch gestern abend gingen wir bewußt in ein Theaterstück: Das Stück hieß »Zweifel«, stammte von dem Autor John Patrick Shanley und wurde mehrfach preisgekrönt. Und der Grund, warum wir hingingen, war die Tatsache, daß eine Nachbarin die Hauptrolle spielte.

Geschätzte zwei Dutzend Leute verloren sich im »Insel«-Theater in Karlsruhe, das fand ich schade. Aber die wurden mit einem packenden Stück belohnt, das auf einer spärlich gestalteten Bühne von vier Schauspielern geboten wurde.

Letztlich erwies sich das Stück als eine Mischung aus Psychodrama und Polit-Krimi; es ging um sexuellen Mißbrauch, um Kontrolle und Religion, um Hautfarben und den richtigen Weg, Jugendliche zu erziehen. Wie Schwester Aloysius ihren Krieg gegen den Pfarrer führt, wie sie ihm alles mögliche unterstellt, ohne auch nur den Schatten eines Beweises zu haben - das war schon sehenswert und extrem spannend.

Ich glaube, ich werde öfter ins Theater gehen.

06 November 2007

Schweden-Punk im Radio

Ich ließ es ordentlich krachen am Sonntag abend, 4. November: Im ENPUNKT-Radio im Querfunk, dem freien Radio in Karlsruhe, prasselte Punkrock aus Schweden auf die Hörer hernieder. Und mit Punk aus Schweden meine ich tatsächlich Punk und nicht die Plörre, die man neuerdings als »Schweden-Rock« oder gar Rock'n'Roll oder sogar Punk bezeichnet.

Nein, ich meinte Bands wie Disconvenience (Irokesen-Punkrock mit einer rasanten Sängerin) oder Kamikatze (deren Platte ich in diesem Blog eh schon mal abgefeiert habe; keifende Punkrock-Gören on Speed!) oder auch Voice Of A Generation (die mittlerweile schon ein Klassiker des Streetpunk sind; so schnell kann's gehen).

Geradezu gemütlich polterten dann die Punkrocker von Down And Away oder die vom Skandinavien-Rock beeinflußten Sweet Addiction (okay, ein bißchen von diesem modernen Kram mußte sein) durch die Boxen. Sogar The Confession oder Knuger Faller wirkten geradezu harmlos nach dem Generalangriff von Kamikatze.

Zur Erholung spielte ich zwischendurch Ska von Liberator, bevor es mit Imperial Leather (in diesem Blog schon abgefeiert) in derben Anarcho-Punk überging – und den Abschluß bildeten dann die Troublemakers, auch schon alte Herren. Sehr punkig also, dieser Abend, und mir gefiel diesmal wirklich jede Band, die ich spielte.

Übrigens: Wer sich für die Bands interessiert, wird unter anderem bei Dirty Faces und Mad Butcher Records sehr gut fündig.

05 November 2007

Hardcore à la 1987

Der feine Geruch nach totem Schwein und Rind hing in der Luft, als ich über den Hof des Karlsruher Schlachthofes ging. Für einen Vegetarier nicht unbedingt der schönste Geruch der Welt, vor allem, wenn er mit dem geschmacklichen Unterton von Blut und müffelndem Aas einhergeht. Aber der dröhnende Punkrock, der aus der »Alten Hackerei« drang, zog mich unwiderstehlich an. Heute nacht, Sonntag abend, 4. November 2007; vor zwei Stunden etwa.

Schätzungsweise fünfzig Leute waren da, durchschnittlich über 30 Jahre alt; ich war nicht der einzige über vierzig. Sieht man vom Altersschnitt ab, kam ich mir vor wie vor zwanzig Jahren bei irgendwelchen Hardcore-Konzerten - es waren teilweise ja auch dieselben Nasen wie damals. Wir Übrig gebliebenen gewissermaßen ... nach all den Moden und Stilrichtungen, die in Punkrock und Hardcore an einem vorbeigeschwappt sind, bleiben gewisse alte Säcke halt doch hängen.

Als erste Band dann Blitztrumpf aus Karlsruhe. Klassischer Hardcore-Punk, dargeboten von einer ebenso klassischen Vier-Mann-Combo. Sänger Moe, mit rasantem Kurzhaarschnitt und röhrender Stimme, klang nach der Fünf-Tages-Kurz-Tour trotzdem gut, und ich fand die Band klasse. Mal schauen, was die EP kann.

Danach die Subterranean Kids aus Barcelona. Vor geschätzten 18 oder 19 Jahren sah ich sie in Nagold und fand sie großartig: vier Spanier, die es sich auf der Bühne und auf der Tour gaben, als ginge alles zu Ende, Drogen und Suff inklusive.

Jetzt standen vier Erwachsene auf der Bühne, Männer anfangs der vierzig. Und die Musik knallte und ballerte wie anno dunnemals, Hardcore, wie man ihn Ende der 80er Jahre in ganz Europa zu hören bekam. Der Sänger, mittlerweile beleibt, sprang und hüpfte und schrie und verbreitete enorme Energie - super!

Die Band wurde von geschätzten zwanzig Leuten euphorisch und frenetisch abgefeiert; insofern kein Unterschied zu den Hardcore-Konzerten um 1985/86 herum, als sich noch keine Sau für diese Art Musik interessierte. Ich war begeistert, und ich bewegte mich tatsächlich ein wenig, so daß ich hinterher naßgeschwitzt war.

Wunderbarer Abend!

04 November 2007

In der Schlugg-Stube

Eigentlich wollten wir nur einen Kaffee trinken, weil es in Basel so saukalt war. Aber dann stolperten wir an der Buchhandlung »Narrenschiff« vorbei, durch eine Passage hindurch, und wir sahen ein merkwürdiges Schaufenster, hinter dem wir Leute sahen, die um Tische saßen und sich am frühen Nachmittag schon Wein und Bier zu Gemüte führten. Ein Laden für uns - und nix wie hinein.

Die Einrichtung sah aus wie vom Sperrmüll oder aus einem Theater-Fundus: Fasnets-Masken an den Wänden, allerlei Glitter und Glimmer an der Decke; als Lampen dienten fürchterlich kitschige Trauben aus Kunststoff, aus denen heraus es schummerig leuchtete. Als Einrichtungsgegenstände gab es Sofas, runde Tische und einige Stühle, auf die ich mich nicht verlassen wollte - also ließ ich mich ins Sofa sinken.

Die Wirtin, die mit ihrem rotbehaarten Kopf und den schwarzen Klamotten aussah, als stünde sie schon seit Jahrzehnten hinter den Theken irgendwelcher Spelunken, erwies sich als nett. Die Musik war Jazz mit Frauengesang, der aus irgendwelchen Lautsprechern tröpfelte. Und das Publikum bestand größtenteils aus Leuten aus Basel, die einen entsprechenden Dialekt sprachen.

Nett, sehr nett. Der Kaffee schmeckte, den Wein probierte ich nicht, weil's noch früh am Tag war. Und die Gäste verwickelten uns bereitwillig in lustig-launige Unterhaltungen über Baseler und Karlsruher Kultur. (Falls es mich mal wieder an den Rümelinsplatz verschlägt, werde ich bestimmt wieder in der Schlugg-Stube einkehren.)

03 November 2007

Gewohnheitstrinker, oi!

Liegt es am herbstlichen Wetter, liegt es an meiner zum Oi! wechselnden Stimmung - keine Ahnung. Tatsache ist, daß bei mir seit Wochen immer wieder eine Doppel-CD die Musik im Auto bestimmt: »Zwei auf einen Streich« von der Band Gewohnheitstrinker aus Freiburg.

Auf der Doppel-CD sind gleich zwei Platten drauf, die ich natürlich bereits als Vinyl besitze. »Schöne Musik für hässliche Menschen« nennt sich die eine, »1984« die andere, und beides Mal geht's mit deutschsprachigem Oi! oder Streetpunk in die Vollen.

Textlich ist die Band klar und eindeutig, sie verzichtet auf üblichen Sexismus und zu doofe Working-Class-Attitüden. Immer wieder wird klar aus dem Leben von nicht mehr ganz so jungen Leuten von der Straße erzählt.

Und bringt glatt noch die Komponente des dezenten Alters in die Texte ein: »Jeder Funken Rebellion erlischt auch irgendwann / man lebt halt sein Leben, passt sich irgendwie an / man rennt zur Maloche, und der Kohle hinterher / abends vor der Glotze, mach ich mich auf dem Sofa schwer.« So endet das Stück »Es ist vorbei«, das ansonsten mit dem großartigen Refrain »Es ist vorbei, ein Outlaw geht in Rente« aufwartet.

Kein Scheiß: Die Band ist gut. Auf ihrer Homepage gibt es drei röhrende Oi!-Stücke zum Download. Und ich ertappe mich dabei, daß ich begeistert mitsinge, wenn ich mit dem Auto über die Landstraße heize ...

02 November 2007

Echte Arsch-Nachricht

Schaut man sich im Internet um, kommt man recht schnell auf obskure Meldungen, die ich zumindest in »normalen« Medien nicht wahrnehmen würde. Das Highlight des heutigen Tages: In München waren die sogenannten internationalen Po-Weltmeisterschaften.

Richtig! Man hat den hübschesten Arsch bewertet. Insgesamt kamen 45 Hinterteile auf den Laufsteig, immerhin sowohl männlich als auch weiblich. Es gewannen eine Bulgarin und ein Rumäne, und die bekamen dafür sogar richtig Kohle. Neben den 10.000 Euro, für die ich möglicherweise auch meinen Hintern an die Öffentlichkeit halten würde, gab's noch einen Model-Vertrag.

Skurrile Meldung am Rand: In der Jury, die ansonsten mit einem Model, einem Fitness-Experten, einem Tanzlehrer und einem Fotografen besetzt war (also keine Überraschungen bot), tummelte sich auch ein Psychologe. Dieser habe sich laut Veranstalter »mit Forschungen zur Formel für den perfekten Po für die Aufgabe qualifiziert«.

Aha. Das ist dann wohl der zweite Teil der Arsch-Nachricht: Man forscht nach einer Po-Formel.